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Tauwetter in Myanmar: Präsident empfängt prominente Oppositionspolitikerin

Myanmars neuer Präsident Thein Sein gilt als reformwilliger als seine Vorgänger.
Bild: UN Photo Lizenz: Creative Commons BY-NC 2.0 Original: flickr.

26. September 2011
Rainer Einzenberger

Nach dem unerwarteten Treffen zwischen Aung San Suu Kyi und Präsident Thein Sein im August zeigen sich auch notorische Skeptiker verhalten optimistisch. Erstmals seit Jahrzehnten scheinen echter Dialog und demokratische Reformen in Myanmar/Burma greifbar. Auch nach den ersten Wahlen seit 20 Jahren bleibt die neue Regierung der „Republik der Union von Myanmar“ faktisch von ehemaligen Militärs dominiert. 

Die überwiegende Mehrzahl der 30 Minister gehörte bereits dem vorhergehenden Regime unter General Than Shwe an. Nur vier Minister haben keine militärische Vergangenheit. Durch Wahlbetrug konnte die von der Militärjunta gestützte „Union Solidarity and Development Party“ (USDP) die Parlamentswahlen am 7. November 2010 für sich entscheiden. Sie erhielt ca. 80 Prozent aller Sitze im Ober- und Unterhaus und ist auch in den Regionalparlamenten dominant, während die demokratischen Oppositionsparteien mit einer Handvoll Sitzen abgespeist wurden.

Nichtsdestotrotz wurde die politische Landschaft Myanmars/Burmas durch die Wahlen und den Regierungswechsel nachhaltig verändert. Neben dem neuen Parlament in Naypyidaw, in dem auch Zivilpersonen und Oppositionsparteien vertreten sind, wurden durch die Verfassung von 2008 erstmals Lokalparlamente eingeführt. Generalissimus Than Shwe, der zuvor uneingeschränkt wie ein Monarch herrschte, hat sich tatsächlich aus der Tagespolitik in den Ruhestand verabschiedet. Sein Portrait wurde bereits aus allen Regierungsbüros entfernt. Niemand zweifelt jedoch daran, dass er im Hintergrund weiter entscheidenden Einfluss ausübt - doch inwieweit - das bleibt unklar.

Thein Sein, der Reformer

Der neue erste Mann im Staat, Präsident Thein Sein, wird als reformwillig eingeschätzt, obwohl auch er bereits dem alten Regime angehörte. In seiner bemerkenswerten Antrittsrede am 30. März präsentierte er seine politische Vision für die Zukunft des Landes und kündigte umfassende Reformen und eine Öffnung an. Er sprach von der Einführung einer (staatlich gelenkten) Marktwirtschaft und umfangreichen wirtschaftlichen Reformen, um den „sozioökonomischen Status der Bevölkerung zu heben”. Als weitere Prioritäten der neuen Regierung zählte der in Militärkreisen als “Mister Clean” bekannte Ex-General unter anderem Transparenz, Korruptionsbekämpfung, Wahrung der Bürgerrechte und Umweltschutz auf. Ebenso sprach er von der Notwendigkeit die Standards im Bildungssystem sowie die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Zu diesem Zweck werde die neue Regierung auch mit UN-Organisationen sowie lokalen wie internationalen NRO zusammenarbeiten, so Thein Sein.

Mit dem Fokus auf die ethnischen Gruppen betonte er die Notwendigkeit nationaler Einheit und sprach von einer „Hölle unermesslichen Elends“, welche die Bevölkerung aufgrund jahrzehntelanger bewaffneter Konflikte durchleben musste.

Kritiker sehen in Thein Sein aber nach wie vor einen Ex-General, der sich hauptsächlich in der Rhetorik von seinen Vorgängern unterscheidet. Sie geben zu bedenken, dass der Präsident seine zahlreichen Versprechungen bisher noch kaum in die Tat umsetzen konnte.

Erste sichtbare Schritte in die richtige Richtung

Der vielzitierte „Wandel“ in Myanmar/Burma lässt sich tatsächlich an mehreren konkreten Veränderungen und Verbesserungen festmachen. Eine der wichtigsten Neuerungen ist zweifellos das Parlament. Seit Antritt der neuen Regierung traf das Parlament bereits zweimal zusammen, obwohl laut Verfassung nur eine Versammlung pro Jahr notwendig wäre. Zwar fand die erste Versammlung im März unter starken Einschränkungen statt, bot aber erstmals die Möglichkeit für zivile Volksvertreter(innen) an die zuständigen Minister Fragen zu wichtigen Themen wie Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, öffentliche Infrastruktur und Umwelt zu stellen und eigene Anträge einzubringen. Die überwiegende Mehrzahl der Fragen und Anträge wurde von den demokratischen und ethnischen Kleinparteien eingebracht und nicht von der dominanten militärnahen USDP. Abgeordneten zufolge mischten sich die Militärs im Parlament (25 Prozent) kaum ins Geschehen ein und verhielten sich ruhig, die Zusammenarbeit unter den demokratischen Parteien verlief gut. 

Angesichts der völligen Intransparenz des Regimes unter General Than Shwe und der Zensur jeglicher öffentlicher Debatte zu brennenden politischen Fragen, stellte die erste Parlamentsversammlung einen enormen Fortschritt dar, auch wenn die Debatten im Parlament anfangs noch zu wenig spürbaren Veränderungen geführt haben. Die oft langatmigen, mit Zahlen und Statistiken übersäten Stellungnahmen der SPDC Minister lieferten dennoch wichtige und meist ernüchternde Erkenntnisse zur tatsächlichen Situation in vielen Bereichen über die es zuvor kaum konkrete Informationen gab.

Zur zweiten Parlamentsversammlung im August wurden bereits unabhängige Journalist(en/innen) zugelassen. Bei dieser Versammlung mussten sich die neuen Minister erstmals den Fragen der Abgeordneten stellen, die sie zum Teil  bereitwillig beantworteten. Beobachter erwarteten sich von der zweiten Versammlung mehr Transparenz, konkretere Ergebnisse und eine Reihe wichtiger Gesetzesbeschlüsse, vor allem im Wirtschaftsbereich. Die eingebrachten Anträge betrafen auch politisch heikle Fragen wie etwa ein Gesetz zur Medienfreiheit oder ein Antrag auf Amnestie für politische Gefangene, die jedoch - wenig überraschend - nicht angenommen wurden. 

Überraschende Fortschritte gibt es dennoch auch im Medienbereich. Bestimmte Printmedien wurden bereits im Juni von der Vorabzensur ausgenommen. Während zuvor alle Printmedien vor Veröffentlichung durch die Zensurbehörde genehmigt werden mussten, sind nun Zeitschriften und Magazine aus dem Bereich Unterhaltung, Gesundheit, Technologie und Sport davon ausgenommen. Die staatliche Tageszeitung „New Light of Myanmar“ änderte im August plötzlich ihre Aufmachung und verzichtete - entsprechend der neuen Rhetorik der Regierung - auf die nach den Protesten von 2007 eingeführten Propagandasprüche („four objectives“, „peoples desire“) sowie auf Slogans über „feindliche“, ausländische Medien (VOA, BBC, DVB, RFA).  Besonders überraschend kam jedoch die jüngste Aufhebung der Internetsperren für internationale Nachrichtenseiten (BBC, Bangkok Post etc.), Exilmedien (z.B.Irrawaddy) und Youtube.

Eines der Hauptanliegen der neuen Regierung ist die Verbesserung der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse im Land. In der Vergangenheit waren meist ökonomische Ursachen ausschlaggebend für Massenproteste, wie zuletzt 2007. Zu den ersten Maßnahmen der neuen Regierung zählten beispielsweise die Anhebung der völlig unzureichenden Pensionszahlungen, die Ausweitung von Mikrokreditprogrammen und die Senkung der Exportsteuer und Einkommenssteuer angesichts der dramatischen Aufwertung des Kyat zum US-Dollar im letzten Jahr. Eines der wichtigsten wirtschaftlichen Vorhaben ist derzeit die Einführung eines einheitlichen Wechselkurses für die heimische Währung Kyat. Bisher gab es einen offiziellen Wechselkurs von 6-7 Kyat/Dollar und einen extrem volatilen Schwarzmarktkurs zwischen 600-1.000 Kyat/USD! Um Geld zu wechseln blieb nur der Schwarzmarkt. Ebenso soll der Import von Autos in Zukunft nach und nach liberalisiert werden. In der Vergangenheit war der Automarkt starken Einschränkungen unterworfen, was zu exorbitant hohen Preisen für selbst schrottreife Fahrzeuge geführt hat.

Fast etwas voreilig wirkte die Einladung des Präsidenten an die burmesische Exilgemeinde in das Land zurückzukehren angesichts der Tatsache, dass noch immer ca. 2.000 politische Gefangene inhaftiert sind. Trotz der Versicherung, dass Rückkehrer, die gegen das Gesetz verstoßen haben, nachsichtig behandelt werden würden, ist die Mehrheit der im Exil lebenden Burmesen noch nicht von der Aufrichtigkeit dieses Angebots überzeugt. Trotzdem folgen bereits einige wenige der Einladung des Präsidenten. So fanden sich unter den ersten zurückkehrenden Personen vier Mitglieder einer Komiker-Gruppe, die von dem auch in Deutschland bekannten Komiker Zarganar gegründet wurde. Sie gaben sich in einem Interview optimistisch, dass auch ihr Gründer, der derzeit noch wegen Kritik am Regime eine 35jährige Haftstrafe absitzt, bald vorzeitig entlassen würde.

Diese Aufzählung an ersten konkreten positiven Schritten ist jedoch keineswegs vollständig und soll nur einen ungefähren Eindruck des bisherigen Reformkurses unter Präsident Thein Sein vermitteln. Täglich gibt es neue Meldungen aus Myanmar/Burma über kleine Schritte in die richtige Richtung. Nichtsdestotrotz blieben viele Probleme, wie etwa die ethnischen Konflikte in den Grenzregionen (siehe unten) und damit einhergehende Menschenrechtsverletzungen, bisher ungelöst. Um die zu Beginn seiner Amtszeit gegebenen Versprechen einzulösen, gibt es für Präsident Thein Sein und sein Kabinett noch eine Menge zu tun.

Wandel mit Tücken

Der Wandel in Burma hat aber auch seine Tücken. Offenbar spielt sich innerhalb der Führungsriege ein Machtkampf ab, der die dringend anstehenden Reformen blockiert und das Projekt der „disziplinierten Demokratie“ gefährden könnte. Ein Militärputsch und ein „Rückfall“ zu einer rigiden Militärdiktatur scheinen nicht ausgeschlossen. Than Shwes Rückzug hinterließ ein Machtvakuum, in dem nun mehrere Akteure um die Vormachtstellung kämpfen. Dies war wahrscheinlich auch das Kalkül des bald 80-jährigen Generals, der in geschickter Weise eine Konstellation mit verschiedenen neuen Machtzentren (Parlament, USDP, Militär, Präsident) aufbaute, in der es keinen einzelnen „starken Mann“ mehr gibt, der ihm und seinem Erbe gefährlich werden könnte. Präsident Thein Sein repräsentiert in diesem Machtkampf die Reformer, während Vize-Präsident Thin Aung Myint Oo die alte Garde bzw. die „Hardliner“ verkörpert, die den Reformkurs nicht mittragen wollen. Es heißt, der Vize-Präsident würde Min Aung Hlaing, Than Shwes Nachfolger als Armeechef, drängen, sich stärker ins politische Geschehen einzumischen. Diese Hardliner sind es auch, die bisher erfolgreich eine Freilassung der politischen Gefangenen verhindert haben. Ihre Paranoia vor neuen Massenaufständen wurde durch die Ereignisse in den arabischen Staaten noch verstärkt. Bei der letzten Amnestie im vergangenen Mai kamen nur etwa 50 der ca. 2.000  politischen Gefangenen frei.

Chronologie einer vorsichtigen Annäherung

Vor wenigen Monaten war ein Dialog zwischen der Regierung und Aung San Suu Kyi kaum absehbar. Noch im Mai stand sie den Ex-Generälen in Naypidaw höchst kritisch gegenüber. Sie diagnostizierte keinen echten demokratischen Wandel: „Wir müssen weiterhin Druck auf die neue Regierung ausüben [...] Wahlen machen noch keine Demokratie“, so die Nobelpreisträgerin. Die Ansagen des Präsidenten und der Minister in Naypyidaw wertete sie als wenig glaubwürdige Charme-Offensive und warnte vor überzogenem Optimismus.

Die vielleicht erste Annäherung zwischen Aung San Suu Kyi und der neuen Regierung fand am 19. Juli statt, am „Tag der Märtyrer“, ein staatlicher Feiertag zum Andenken an General Aung San  (Gründer der „Tatamatw, der Armee und Vater Aung San Suu Kyi‘s) und andere Unabhängigkeitskämpfer Der Marsch zu ihrem Mausoleum, an dem 3,000 Personen teilnahmen, wurde von Aung San Suu Kyi  angeführt. Der Marsch und die anschließende Gedenkfeier wurden in Zusammenarbeit mit der Regierung organisiert. Aung San Suu Kyi bedankte sich anschließend für die Zusammenarbeit und zeigte sich zufrieden.

Zu einem ersten persönlichen Kontakt zwischen Aung San Suu Kyi und einem Mitglied der neuen Regierung, Minister Aung Kyi,  kam es schließlich Ende Juli. Beide Seiten zeigten sich nach dem Treffen optimistisch. Aung San Suu Kyi sprach von einem „ersten Schritt für eine Zusammenarbeit in der Zukunft“. Schon kurz darauf folgte eine zweite Gesprächsrunde. 

Trotz dieser Vorgespräche mit Minister Aung Kyi kam das historische Zusammentreffen zwischen Aung San Suu Kyi und Staatschef Thein Sein am 20. August überraschend. Eigentlicher Anlass für das Treffen in der Hauptstadt des Landes, Naypidaw, war ein weiterer Regierungsworkshop, diesmal zum Thema  „Reformen für die nationale wirtschaftliche Entwicklung“. Das Treffen zwischen Thein Sein und Suu Kyi fand unter vier Augen, abseits des Workshops statt. Nach dem Workshop wurde Aung San Suu Kyi von Präsident Thein Sein im Präsidentenpalast zum Abendessen eingeladen. Dort posierten sie gemeinsam unter einem Portrait Aung San Suu Kyis Vaters für die Presse. Über das Gespräch selbst drang wenig nach Außen, doch Aung San Suu Kyi zeigte sich über das Treffen „erfreut“ und „ermutigt“. Der Presse teilte Suu Kyi mit, dass auch Thein Sein „echten positiven Wandel“ will und, dass es nun die “Möglichkeit für Wandel” gibt. 

Der Zeitpunkt des Treffens war von der Regierung wohl nicht zufällig gewählt. Unmittelbar danach stand eine Reihe wichtiger hochrangiger Besuche in der Hauptstadt an. Den Beginn machte der UN-Sonderberichterstatter für Burma, Tomas Ojea Quintana, der über ein Jahr lang kein Visum erhalten hatte, nachdem er sich für eine UN-Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in Myanmar/Burma ausgesprochen hatte. Dem UN-Sonderberichterstatter folgte der erste Besuch des neuen US-Sondergesandten für Burma, Derek Mitchell und die EU-Kommissarin Kristalina Georgieva. Alle zeigten sich optimistisch über die jüngsten Entwicklungen im Land und berichteten von konstruktiven Gesprächen mit der Regierung. Mitchell forderte die Regierung auf, jene, die trotz allem nicht vom Bekenntnis der Regierung zu echten Reformen und Versöhnung überzeugt sind, durch weitere Reformen umzustimmen.

Auch die bevorstehende Entscheidung über den ASEAN-Vorsitz 2014, für den sich Myanmar/Burma bewirbt, dürfte einen Einfluss auf die Dialogbereitschaft der Regierung gehabt haben. Nun scheint nicht mehr ausgeschlossen, dass Myanmar/Burma den Zuschlag für den Vorsitz erhalten wird, der dem Land 2005 de facto verweigert wurde. Darüber wird im November beim ASEAN Gipfel in Bali entschieden werden. Eine wesentliche Bedingung dafür, wie für eine Fortsetzung des Dialogs mit Suu Kyi, dürfte aber die zumindest schrittweise Freilassung der übrigen ca. 2,000 politischen Gefangenen sein. Die Nobelpreisträgerin hatte immer betont, dass dies eine Grundvoraussetzung für echten demokratischen Wandel sei. Derzeit kursieren Gerüchte, dass bereits in Kürze mehrere Hundert politische Häftlinge entlassen werden sollen. Als Gegenleistung könnte Aung San Suu Kyi Lockerungen der Sanktionen, die Bewerbung um den ASEAN-Vorsitz und eine Zusammenarbeit der Asian Development Bank und Weltbank mit der Regierung unterstützen.

Lösung der ethnischen Konflikte ausstehend

Unterdessen geht der bewaffnete Konflikt zwischen der Regierung und den ethnischen Gruppen fernab von Yangon und Naypidaw weiter. Nach den Wahlen eskalierte die Gewalt in den ehemaligen Waffenstillstandsgebieten an den Grenzen im Norden und Osten des Landes. Zwei Waffenstillstandsabkommen mit den Armeen der Kachin und Shan, die seit den 1990er Jahren bestand hatten, wurden gebrochen. Die neue Regierung startete eine Offensive gegen jene ethnischen bewaffneten Gruppen im Karen-, Shan- und Kachin-Staat, die sich weiterhin weigern, sich als „Grenzschutztruppe“ in die burmesische Armee zu integrieren. Bei den jüngsten Kämpfen wurden erneut zahlreiche Zivilpersonen getötet, Zehntausende mussten vor den Kampfhandlungen in die Nachbarländer China und Thailand fliehen. 

Den ethnischen Gruppen geht es dabei nicht nur um mehr Autonomie, sondern auch, wie im Kachin-Staat, um die Kontrolle der lokalen Ressourcen. Diese wurden in den letzten Jahren zunehmend durch die Regierung mithilfe chinesischer Investoren rücksichtslos ausgebeutet, ohne dass die lokale Bevölkerung davon profitierte. Im Kachin-State stehen mehrere umstrittene Staudammprojekte im Zentrum des Konflikts, allen voran der Myitsone-Damm. Die lokale Bevölkerung sowie die „Kachin Indpendence Army“ (KIA) lehnen das Staudammprojekt ab, da negative ökologische sowie sozioökonomische Konsequenzen befürchtet werden. Ebenso würden nach Fertigstellung des Projekts für die Gruppe der Kachin kulturell bedeutende Landstriche überflutet werden und tausende Menschen zwangsumgesiedelt. Die Regierung weigert sich bisher das Projekt einzustellen und geht gegen die KIA gewaltsam vor.

Auch die neue Regierung in Naypidaw weigert sich bisher direkt mit den ethnischen Gruppen zu verhandeln und gemeinsam nach einer friedlichen Lösung zu suchen. Während das im Februar gegründete United Nationalities Federal Council (UNFC), ein Zusammenschluss der ethnischen bewaffneten Gruppen, direkte Verhandlungen mit der Zentralregierung in Naypidaw fordert setzt diese weiterhin auf einzelne bilaterale Waffenstillstandsabkommen auf regionaler Ebene. Damit setzt sie, so die Kritik des UNFC die alte koloniale Taktik von “teile” und “herrsche” fort. 

Die Lösung der ethnischen bewaffneten Konflikte wird eine wichtige Nagelprobe der neuen Regierung. Dies wäre eine gute Chance unter Beweis zu stellen, dass sie bereit ist die Begriffe “nationale Versöhnung” und “demokratische Reformen” ernst zu nehmen und sich von den alten Verhaltensmustern verabschiedet. Nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg muss der neuen Regierung klar sein, dass die ethnischen Konflikte im Land nicht auf militärische Weise zu lösen sind.  

Vorsichtiger Optimismus angebracht

Wie der australische Außenminister Rudd feststellte sind die jüngsten Entwicklungen in Myanmar/Burma wahrscheinlich “die bedeutendsten Entwicklungen im Land seit mehreren Jahrzehnten”. Aung San Suu Kyi, die bis vor kurzem noch kein gutes Haar an der neuen Regierung ließ, sieht “positive Entwicklungen” und ist “vorsichtig optimistisch”. 

Doch sie gibt zu bedenken, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist und noch nicht alle frei sind. Selbst wenn Präsident Thein Sein es mit dem tiefgreifenden demokratischen Wandel ernst meint, ist noch lange nicht garantiert, dass er sich gegen die Hardliner in der Regierung durchsetzen kann. Ein wichtiger Indikator dafür wird sein, ob und wie viele politische Häftlinge in den nächsten Monaten aus den Gefängnissen freikommen werden. Ohne eine zumindest teilweise Amnestie wird es kaum weitere Fortschritte und eine Fortsetzung des Dialoges geben können.

Internationale Akteure in Myanmar/Burma sollten die Gunst der Stunde nutzen und soweit wie möglich in enger Zusammenarbeit mit der wachsenden Zivilgesellschaft und reformorientierten Bürokraten konstruktiv an einem echten demokratischen Wandel arbeiten. Dies wird auch in nächster Zeit kein leichtes Unterfangen, doch die Möglichkeiten dafür sind gegeben. Spätestens jetzt sollte klar sein, dass eine passive Haltung oder Isolationspolitik keine Option mehr ist.

Rainer Einzenberger arbeitet als Progammkoordinator Myanmar/Burma in der Heinrich-Böll-Stiftung Thailand.

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